Zunächst war ich nicht besonders begeistert, als mich Herr Scherer vor den ersehnten Sommerferien fragte, ob ich an einer Akademie für „besonders leistungsfähige und interessierte Schüler“ teilnehmen möchte. Doch nach weiterer Recherche auf der Website der „Deutschen Schüler Akademie (DSA)“ reizte mich der Gedanke, 17 Tage mit komplett unbekannten Gleichaltrigen und weit weg von zu Hause zu sein, immer mehr.
Am 24. August 2022 machte ich mich also gespannt, in Begleitung einer weiteren Akademie-Teilnehmerin aus Karlsruhe, auf den langen Weg bis nach Sögel (Niedersachsen), wo die Akademie Clemenswerth in einem ehemaligen Marstall beginnen sollte. Marställe dienten Fürsten zur Unterbringung ihrer Pferde, was erklärt, warum sich auf dem Gelände ein kleines Jagdschloss, das Schloss Clemenswerth, befand.
Angekommen, mussten wir uns anmelden und bekamen ein Umhänge-Schild mit unserem Namen und dem Kurs, den jeder im Vorfeld ausgesucht hatte, und in dem wir uns in einer Gruppe von zehn bis 20 Menschen mit einem spezifischen Thema intensiv befassen sollten.
Wir waren insgesamt circa 80 Jugendliche aus den unterschiedlichsten Ecken Deutschlands. Dazu kamen um die 15 motivierte Kursleiter*innen, von denen einige selbst noch studierten. Geleitet wurde die Akademie vom leidenschaftlichen Pädagogen Hartmut Rosa, welcher außerhalb der jährlich stattfindenden Akademie an der Uni Jena Soziologie lehrt.
Ich selbst war im Kurs „2.4 Körper (in) Bewegung“, der „Tanzkurs“ neben den anderen vier Kursen aus den Themen der Mathematik, der Physik, der Jura und der Geschichte.
Die erste Kurseinheit hatten wir nach dem Frühstück, die zweite am Nachmittag. Morgens machte mein Kurs zunächst eine „Bewegungseinheit“. Es ging darum, unseren eigenen Körper zu spüren und besser kennen zu lernen. Wir bekamen den Raum und die Freiheit, uns zu bewegen wie wir wollten und wuchsen durch Übungen zu zweit/ zu dritt oder in der Gruppe immer enger zusammen.
Deutlich wacher und gestärkt durch die morgendliche Bewegungseinheit, konnten wir Theoriebezüge zu den für mich neuartigen Themen wie „Körper“, „Bewegung“ und „politisch“ im Sinne der feministische Wissenspraxis verstehen und wurden angeregt, anders zu denken und gesellschaftliche Normen zu reflektieren.
Die Zeit in meinem Kurs, ob thematisch oder zwischenmenschlich, war für mich rückblickend horizonterweiternd und aufregend. Die Ergebnisse unseres wissenschaftlichen Arbeitens hielten wir am Ende in einer Dokumentation fest.
Doch die Arbeit im Kurs war in meinem „DSA“ Alltag noch lang nicht alles. Die restliche Zeit verbrachte ich mit Sport, wie Beach-Volleyball oder Fußball, politischen Debatten über die unterschiedlichsten Themen, spielte Billard oder lernte nebenbei, wie man ein Start-Up gründet. Die sogenannten KüAs (kursübergreifende Aktivitäten) wurden von uns Akademie-Teilnehmern veranstaltet, und oft konnte ich mich nicht entscheiden, was sich nun spannender anhört und wo ich als nächstes teilnehmen werde - ich konnte ausprobieren, was ich wollte.
Dazu kam ein „Zukunftsabend“, bei dem wir Teilnehmende unsere Bedenken über unsere persönliche Zukunft teilen und ein wenig abbauen konnten, indem wir uns Erfahrungen und Lebenswege der Leiter anhörten. Auch das „Rassismus 101“, die tägliche Pink Floyd Hörsession oder das Abschlusskonzert, bei dem der gegründete Chor, die Big Band und verschiedene einzelne Akademieteilnehmer eine „kleine Bühne“ bekamen, waren besondere Momente meiner DSA Zeit. Darüber hinaus durfte man noch das frisch für uns zubereitete Essen genießen, und ein bisschen Schlaf zu bekommen, war mindestens genauso essentiell.
Doch all das habe ich natürlich nicht alleine gemacht. Am meisten beeindruckte mich, wie sich einander fremde Menschen auf einander einlassen, sich begegnen, sich verwandeln und in kurzer Zeit zu einer verschworenen Gemeinschaft werden. Für mich waren die 17 Tage eine unglaublich intensive Zeit in der ich neue Erfahrungen und Freundschaften schließen durfte. Vor der Akademie habe ich noch nie Tagebuch geschrieben, doch in dieser Zeit hatte ich ein starkes Bedürfnis diese reizüberflutenden Erfahrungen und Denkanstöße in gewisser Form festzuhalten, und so habe ich ein ganzes Heft vollgeschrieben.
Ich bin rückblickend sehr dankbar, dass ich an einer Deutschen Schüler Akademie teilnehmen durfte, kann aber eigentlich nur sagen, dass es für jeden, der wissbegierig und offen für Neues ist, zu einer unvergesslichen Zeit werden kann und eine enorme Chance zur persönlichen Weiterentwicklung bietet.
„Körper in Bewegung“, war nicht nur Programm in meinem Kurs, sondern in der gesamten Akademie – und auch Gehirne, Identitäten und Seelen gerieten in Bewegung und trafen sich.