Verschiedenes

Zwischentöne in Dur und Moll

Wir gratulieren Natalie Friedrich aus der 10a für Ihren literarischen Beitrag im Sammelband ‚Zwischentöne in Dur und Moll – Texte junger Menschen‘, der von dem Förderkreis Kreatives Schreiben und Musik e.V. jährlich herausgegeben wird. Natalie hat die philosophische Kurzgeschichte „Aeolus‘ Erleuchtung – Agnitio Aeoli“ auf Deutsch und Latein im zweiten Lehrjahr Latein als dritte Fremdsprache verfasst. Ihre subtile Ausdrucksweise in beiden Sprachen hat das Interesse ihrer Lehrer sowie der Herausgeber geweckt. Wir gratulieren Natalie und wünschen Ihr beständige Inspiration in der ars scribendi, der Kunst des Schreibens!

 

Aeolus' Erleuchtung

In der Blütezeit des römischen Reiches lebten viele Gelehrte, doch nur wenige waren wahrhaftig weise. Doch der Schüler, Aeolus, hatte Glück. In der Provinz Kition wurde er von einem Weisen unterrichtet. Aeolus saß auf einem Stuhl vor seinen Schreibtäfelchen und Büchern, die er ordentlich auf seinem Tisch sortiert hatte und diskutierte mit seinem Lehrer über die folgende Äußerung:

 ,,Hast du zu wenig Kontrolle über dein Leben, mündet es in Chaos.

Hast du jedoch zu viel Kontrolle, endet es in deinem Untergang."

Er ist einfach und logisch, aber Aeolus verstand ihn nicht.

,,Glaubst du, dass du dein Leben, dein Schicksal kontrollieren kannst?", fragte der Weise ruhig.

,,Ich glaube weder, dass die Götter Einfluss auf uns nehmen können noch, dass unser Lebensweg vorbestimmt ist, also stimme ich Eurem Satz nicht zu, Meister." Der Lehrer lächelte wissend und nickte bedächtig. Der Schüler aber fühlte sich nicht ernstgenommen, stand auf und verließ die Stube. Aeolus Lehrer hielt ihn nicht auf, schmunzelte weiterhin und murmelte: ,,Die Zeit der Erleuchtung naht."

Der junge Mann lief die belebte Straße entlang. Plötzlich ergoss sich starker Regen über Aeolus. Die Verkäufer bauten eilig ihre Stände ab und die übrigen Menschen liefen an trockene Orte. Er hatte sein Ziel beinahe erreicht, als es passierte: Eine Frau verlor den Halt und stieß gegen den Schüler. Seine Schreibtäfelchen fielen in die Pfütze und zerbarsten in tausend Fragmente. Von Schreck und Wut gelähmt blickte er auf seine zerstörte Arbeit. All die Stunden, all die Diskussionen...da lagen sie.

In Scherben. Und das alles aufgrund...aufgrund eines dämlichen Zufalls. Doch auf einmal änderte sich etwas. Es war, als würde der Regen Aeolus Sorgen und negativen Gefühle fortwaschen. Erneut blickte der junge Mann in die Pfütze:

,,Hast du zu wenig Kontrolle über dein Leben, mündet es in Chaos.

Hast du jedoch zu viel Kontrolle, endet es in deinem Untergang."

und verstand.

Unterdessen in der Stube des Weisen:

Zufrieden lächelnd saß der Lehrer auf seinem Stuhl und blickte zum Fenster hinaus.

Die Frau, mit Füllhorn und Steuerrad, deren Abbild sich in dem Wasserkrug spiegelte, tat es ihm gleich.

Ja, endlich hatte er verstanden.

 

Agnitio Aeoli

In tempore, quo imperium Romanum floruit, multi homines docti vivebant, tamen pauci vere sapientes erant.

At discipulus, Aeolus, bonam fortunam habuit. In provincia Citio a sapienti quodam docebatur. Aeolus in sella sedebat, ante tabellas et libros suos, qui ordinarie super mensam posuerat, magistroque de hac sententia disputavit:

,,Si tam parvam inspectionem vitae tuae habes, in confusionem transibis.

At si inspectionem nimiam habes, in interitum tuum eveniet."

Id simpliciter intellege potest, sed Aeolus non cognovit.

,,Putasne vitam tuam, fatum tuum gubernare potes?", sapiens quiete secum interrogavit.

,,Neque deos nos adficere puto, neque vitam nostram praedisponi puto...ergo proloquio vestro non adsentio, magister."

Magister conscius subrisit et considerate nuit. Sed discipulus a magistro non comprehendi posse sensit, surrexit, cellam reliquit. Magister Aeoli eum non tardavit, porro subridebat et murmuravit:

,,Tempus agnitionis tuae adibit."

Iuvenis viam celebrem secundum iit. Subito pluvia acriter super Aeolum transfluxit. Mercatores emporia raptim transplantaverunt et ceteri homines ad loca sicca ierunt. Aeolus paene destinatum suum tenuerat, cum hoc occurrit: Femina delabitur et discipulum compulsat. Tabellae suae in aquam apud eum ceciderunt et in milliaria fragmenta fregerunt. Tenore furoreque debilitatus opus suum tum aspexit. Tot horae, tot coloquia...ibi iacta sunt...in fragmentibus et id occurrit propter...propter fortem asinam...

Tamen insemel aliquid mutatum erat. Pluvia tamquam curas Aeoli et sensus malos dilutos esse. Denuo iuvenis aquam aspexit:

,,Si tam parvam inspectionem vitae tuae habes, in confusionem transibis.

At si inspectionem nimiam habes, in interitum tuum eveniet."

 et intellexit.

Interea in cella sapientis:

Contente ridens magister in sella sedit et ex fenestra spectabat.

Femina, cum cornucopia et gubernaculo, cuius effigies in urceo coniscat, magistrum imitatur.

Ita res se habuit, tandem denique intellexerat.