Filmkritik

The Creator von Gareth Edwards (Regisseur): Maschinelle Menschen gegen menschliche Maschinen

Der offizielle Webauftritt des Filmes: The Creator

Bundesstart: 28.09.2023
Darsteller: John David Wahington, Gemma Chan, Ken Watanabe
FSK: ab 12 Jahren
Länge: 133 Minuten

Kurzfazit

Mit Gareth Edwards „The Creator“ erleben wir ein insgesamt gelungenes SciFi-Epos mit herausragender Cinematographie, dessen atemberaubende Bilder jeden Fan dieses Genres zum Schwärmen bringen und dessen spannende Kamerafahrten und -einstellungen für ein von Anfang bis Ende unterhaltsames Gesamtwerk sorgen. Untermalt wird dies von einem großartigen Soundtrack Hans Zimmers und extrem starken Darbietungen der Hauptdarsteller. Jedoch verhindern die nicht tief genug erzählte Welt, die sich bei gründlicherem Nachdenken offenbarende Ziellosigkeit, sowie die fehlende Innovation und auftretende Vorhersehbarkeit in der zweiten Hälfte des Films, dass dieser aus den Sphären eines guten Werks in die eines hervorragenden aufsteigen kann. Dennoch bleibt „The Creator“ (bei bodenständigen Erwartungen) ein lohnenswertes Kinoerlebnis, auf das sich jeder freuen darf, der noch vorhat, diesen Film zu sehen.

Weshalb besuchen Menschen das Kino?

Warum schauen sie ihre Filme nicht zu Hause und ersparen sich somit Nerviges wie die Anfahrt und die enormen Kosten für Snacks und Getränke von der Kinotheke? Die Antwort ist einfach: Es gibt keinen Ort, an dem man so gut in einen Film abtauchen kann, wie das Kino: Die große Leinwand, der mächtige Sound, der den ganzen Saal umgibt, und die Abschottung vom Rest der Welt. Wenn uns dann noch malerische Landschaften und gewaltige Bauten gezeigt werden, die wir um jeden Preis in der Realität erleben wollen, dann ist ein unvergessliches Kinoerlebnis vorprogrammiert. Und was wäre besser dafür geeignet, als der neue Film von Gareth Edwards, dem Experten schlechthin, wenn es um die Erzeugung glaubhafter Effekte geht. Mit „Monsters“ schuf er bereits im Jahr 2010 aus einem im Vergleich winzigen Budget von nur 500.000$ einen der schönsten Filme des Jahres, worauf er schließlich weitere, noch größere Augenweiden folgen ließ.

Sieben Jahre nach seinem Erfolg mit „Rogue One: A Star Wars Story“ kehrt Edwards nun endlich zurück und liefert uns mit „The Creator“ ein technisch beeindruckendes SciFi-Epos, das uns eine Welt im Krieg zwischen Menschen und Künstlicher Intelligenz präsentiert, in der sich der Hauptcharakter Joshua den Fragen nach der Menschlichkeit des Menschen, der Koexistenz gegensätzlicher Gesellschaften und der Bedeutung einer Familie stellen muss.

Doch erzählen wir das Ganze von vorne.

Wir finden uns in der unbestimmten Zukunft unseres Planeten wieder. Die Menschheit befindet sich in einem Krieg gegen die Künstliche Intelligenz, die sie einst selber erschuf. Nach einem atomaren Anschlag der KI auf die Metropole Los Angeles haben die Vereinigten Staaten den Einsatz ebendieser verboten und versuchen nun alles, um sie endgültig zu vernichten. Jedoch sind nicht alle dieser Meinung. Auf der anderen Seite der Erde haben die intelligenten Maschinen eine Heimat gefunden, von der aus sie agieren können. Die asiatische Regierung gestattet der KI das Leben auf ihrem Kontinent, im Einklang mit der menschlichen Bevölkerung. Darauf reagieren die Amerikaner mit Unverständnis, die Auslöschung aller KI-Stützpunkte im asiatischen Raum ist das neue Ziel. Dabei helfen soll die neuste Superwaffe des US-Militärs, eine im All schwebende Kriegsmaschine, die binnen weniger Sekunden ganze Städte auslöschen kann. Joshua, ehemaliger US-Soldat und Protagonist dieses Films, will eigentlich nichts mehr mit dem Krieg zu tun haben, nachdem dieser ihn bereits seiner Eltern, seiner Geschwister, seiner Frau und sogar seines noch ungeborenen Sohns beraubte. Dies ändert sich jedoch schlagartig, als ein Offizier des US-Militärs ihn auf frische Kameraaufnahmen seiner tot geglaubten Frau aufmerksam macht. Die Möglichkeit, seine verlorene Liebe wieder zubekommen, vor den Augen, schließt er sich einer militärischen Mission höchster Priorität an, welche ihn in das KI-kontrollierte Asien verschlägt. Dort gilt es, die neue Superwaffe des Gegners zu finden und auszuschalten. Dies gestaltet sich allerdings als deutlich komplizierter als gedacht, denn was Joshua im Herzen einer wissenschaftlichen Einrichtung der Künstlichen Intelligenz vorfindet ist keine einfache Waffe, sondern eine KI-Maschine in Form eines Kinds. Statt seinen Auftrag auszuführen, nimmt Joshua das Kind an sich, in der Hoffnung, mit diesem seine Frau zu finden. So ziehen die beiden los und erkunden Seite an Seite die postapokalyptische Welt mitsamt ihren neu entstandenen Cyberpunk-Städten und noch immer bestehenden traditionellen Dörfern, wobei sie immer mehr in das Zentrum des Krieges, der sie umgibt, rücken.

Die eben angesprochene Welt, in der die Handlung des Films ansetzt, wird erfahrenen Liebhabern des Kinos an vielen Stellen sehr bekannt vorkommen. Immer wieder lässt sich erkennen, wie sich „The Creator“ an einigen der erfolgreichsten Filme seines Genres bedient. Doch auch wenn man viele der Orte, die wir zu sehen bekommen, bereits in ähnlicher Form aus „Apocalypse Now“, „Blade Runner“ oder „District 9“ kennt, gestaltet sich die daraus entstehende Kombination vor allem für SciFi-Fans als durchaus interessant und in Verbindung mit den phänomenalen Bildern, die uns Gareth Edwards kontinuierlich präsentiert, sogar teils verführerisch. Jedoch erlebt der Film seine starken Momente nicht nur während der Präsentation der Welt, denn auch die Action-Sequenzen können sich sehen lassen. Ob bei der Infiltration eines Labors, bei der Schießerei in einer Wohnung oder beim Anrollen riesiger Kriegsmaschinen, jedes Mal können vor allem die Choreographien und Kameraeinstellungen überzeugen. Gerade letztere erlauben sich nicht selten kleine Spielereien, die gut funktionieren, da sie ganz einfach Spaß machen, mehr als das braucht es manchmal auch gar nicht. Untermalt wird das Ganze von einem wie gewohnt herausragenden Soundtrack Hans Zimmers, der hier mehrere Stücke entwirft, die zwar einen epischen Anklang besitzen, jedoch zu keinem Zeitpunkt über die Dramatik der jeweiligen Szene hinausschießen. So pflegt man als Zuschauer oft den Wunsch, den Film an sich für ein paar Sekunden auszublenden, um einfach nur die Musik zu genießen, wird allerdings bei diesem Gedanken sofort wieder vom Film eingeholt, da dieser immer genauso spannend ist. Zu guter Letzt müssen noch die herausragenden Darbietungen der Hauptdarsteller und Hauptdarstellerinnen erwähnt werden. Gemma Chan in ihrer Rolle als Frau Joshuas lässt in ihren wenigen Auftritten keine Wünsche übrig, ihr fehlt lediglich die nötige Screentime, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Das kann man hingegen keineswegs über den hier Joshua verkörpernden John David Washington sagen, der womöglich bis dato den besten Auftritt seiner Schauspielerkarriere hinlegt. In jeder seiner Szenen überzeugt er mit starken Emotionen und voller Glaubhaftigkeit. Gestützt wird er zudem durch die erst neunjährige Madeleine Yuna Voyles, die das Kind spielt, mit dem Joshua durch die Welt reist, und dabei bei ihrem Debüt als Schauspielerin eine der besten Kinderdarbietungen der letzten Jahre abliefert. Sie glänzt zur selben Zeit sowohl mit erkennbarer kindlicher Unschuld, als auch mit tiefen Emotionen, die sich schon beim Anblick ihres Gesichts zeigen, und ist somit nichts anderes als die optimale Besetzung für die komplizierteste Rolle in „The Creator“. Und als wäre das noch nicht genug, erleben wir in den vielen Szenen, die sich Washington und Voyles teilen ein Duo, das perfekt miteinander harmoniert und uns immer wieder hinterfragen lässt, ob die beiden nicht doch in der Realität Vater und Tochter sind. Zumindest wirken sie zur gesamten Zeit wie nichts anderes und lassen sich somit schon sehr früh ins Herz schließen, was den Film zur selben Zeit auch deutlich nahbarer macht.

Diese charakterliche Nahbarkeit hat der Film allerdings auch dringend nötig, da er bei der Kreation seiner Welt viele Lücken aufweist. Abseits der Bilder mangelt es bis auf wenige Ausnahmen an kultureller Tiefe, wir lernen kaum etwas über die Sitten, Gebräuche, Philosophien und den religiösen Glauben der Menschen in der Welt von “The Creator“. Hier geht einiges an Potenzial bezüglich der Nachvollziehbarkeit der Gefühle und Entscheidungen der Charaktere und der Darstellung der Gegensätzlichkeit zwischen der westlichen und der östlichen Welt in diesem postapokalyptischen Szenario verloren. Zudem ist es keine Seltenheit, dass aus dem Nichts neue Technologien präsentiert werden, die nach einmaliger Benutzung sofort wieder verschwinden und danach für den Rest des Films verschwiegen werden, selbst, wenn sie an manchen Stellen immense Änderungen an der Handlung zugunsten der Besitzer dieser Technologie bewirken würden. Weitere Lücken finden sich in einem der zentralsten Aspekte der Handlung: der Liebe zwischen Joshua und seiner Frau. Schon zu Beginn fühlt sich diese ziemlich flach und nicht genügend ausformuliert an, was sich im weiteren Verlauf des Films nicht wirklich bessert. Szenen, die versuchen, uns in diese Beziehung einzuführen und mehr über ihre Entstehung, Entwicklung und finale Ausprägung zu erzählen, sind relativ rar und zeigen, wenn sie dann doch mal einen Platz im Film finden, häufig dieselben Geschehnisse. Das resultiert darin, dass sowohl die Liebe an sich, als auch die Wichtigkeit, die die Handlung ihr zuspricht, nicht ganz nachzuvollziehen sind.

Jedoch bleibt es nicht nur bei diesen beiden lückenhaften Aspekten. Auch die moralischen Fragen, die sich der Film stellt, werden regelmäßig lediglich angerissen, ohne jemals ganz auserzählt zu werden. Kombiniert man all diese Beispiele von fehlender Tiefe, so stellt sich mehr und mehr die Frage nach der eigentlichen Absicht des Regisseurs. Will er uns tatsächlich die fehlende Menschlichkeit des (westlichen) Menschen aufzeigen und im selben Zug offene Kritik an der Auslandspolitik der US-Regierung üben? Fokussiert er sich auf die Verdeutlichung der Unterschiede zwischen westlicher und östlicher Kultur? Zielt er darauf ab, die Gefahren einer zu intensiven Eingliederung der Künstlichen Intelligenz in unsere Gesellschaft darzulegen? Oder ist der Film vielleicht doch im Kern ein simples Liebesdrama, das uns die absolute Priorität von Liebe und Familie, selbst in einer destruktiven Gesellschaft wie dieser, aufzeigen möchte? Wer bei Filmen großen Wert auf die jeweilige Botschaft beziehungsweise Bedeutung legt, kann hier schnell ernüchtert werden. Zu Ernüchterung kann es aber genauso gut auch bei Zuschauern mit besonders großen Filmkenntnissen kommen, denn ungefähr ab der Hälfte verliert der Film stark an Originalität. Trotz der hohen Dramatik und wirkungsstarken Emotionalität, die normalen Kinogängern fast durchweg positive Eindrücke verschaffen, werden alle, die sich in der Filmgeschichte auskennen, hier neue Ideen in der Handlung vermissen und den Verlauf dieser, am Ende stereotypischen, Heldengeschichte bereits sehr früh vorhersagen können.

Dennoch erleben wir mit Gareth Edwards’ „The Creator“ einen insgesamt gelungenen SciFi-Epos mit herausragender Cinematographie, deren atemberaubende Bilder jeden Fan dieses Genres zum Schwärmen bringen und dessen spannende Kamerafahrten und -einstellungen für ein von Anfang bis Ende unterhaltsames Gesamtwerk sorgen. Untermalt wird dies von einem großartigen Soundtrack Hans Zimmers und extrem starken Darbietungen der Hauptdarsteller. Jedoch sorgen die nicht tief genug erzählte Welt, die sich bei gründlicherem Nachdenken offenbarende Ziellosigkeit, sowie die fehlende Innovation und die auftretende Vorhersehbarkeit in der zweiten Hälfte des Films, dafür, dass dieser aus den Sphären eines guten Films nicht in die eines hervorragenden aufsteigen kann. Dennoch bleibt „The Creator“ bei bodenständigen Erwartungen ein lohnenswertes Kinoerlebnis, auf das sich jeder freuen darf, der noch vorhat, diesen Film zu sehen.