Clevedon bei uns

Ein Erfahrungsbericht von Yvette von der Schülerzeitung Furunkel.

Der Clevedon-Austausch ist ein Projett in Zusammenarbeit mit der Twinning Association. Im Rahmen des Projektes „Ettlingen-Live!!!“ sind 11 Schülerinnen und Schüler vom AMG Anfang November zu unserer Partnerschule nach England gefahren. Im Februar kamen Sie nun zu uns. (Der erste Teil des Artikels befindet sich auf der Schulhompage)

Und da simma wieder!

Mit einer für deutsche Verhältnisse extremen Pünktlichkeit von nur 25 Minuten Verspätung kamen unsere Austauschpartner am Mittwoch in Karlsruhe an. Die Freude war riesig, und obwohl sie eine lange Reise hinter sich hatten (von London nach Amsterdam, dann nach Stuttgart und schließlich nach Karlsruhe), kamen alle wohlbehalten an.

Nachdem wir sie geschickt durch den Hinterausgang des Hauptbahnhofs lotsten – damit sie das Innere erst gar nicht zu Gesicht bekamen –, ging es nach Hause. Dort hieß es entweder ausruhen oder, in unserem Fall: sich stundenlang gegenseitig volllabern, dabei Tee trinken und jede Menge Gossip austauschen.

"Könntet ihr vielleicht einfach alles ändern?" 

Herr Hammouda über das Logo

Der Donnerstag begann mit einer kurzen Begrüßung durch Herrn Bischoff, gefolgt von einer Schultour. Diese fiel überraschend positiv aus – ganz im Gegensatz zu unseren Erwartungen. Wir hatten uns Sorgen gemacht, dass unsere Schule auf unsere Austauschpartner eher „underwhelming“ wirken würde.

Doch zu unserer Erleichterung waren sie insgesamt begeistert. Auf die Frage, was ihnen am besten gefiel, kam allerdings fast immer die gleiche Antwort: der See. Scheint wohl unser bestes Marketing-Feature zu sein.

Anschließend arbeiteten wir weiter an unseren Logos, die wir bereits in England begonnen hatten. Nach dem gemeinsamen Mittagessen in der Mensa wurde über alle Logos abgestimmt – und es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Trotz der vielseitigen Kritik von Herrn Hammouda, wildem Herumgefuchtel und endloser Diskussionen schaffte es am Ende das Logo meiner Austauschpartnerin Mia und mir an die Spitze.

Zu Hause brachte ich Mia dann noch einen wichtigen Bestandteil der deutschen Kultur näher: Germany’s Next Topmodel. Trotz der Sprachbarriere hatte sie absolut keine Probleme mit dem Verständnis – wer hätte es gedacht?

Ein Fremder will, dass ich seinen Bizeps anfasse

Der Freitag startete mit Unterricht, bevor wir uns an die Vorbereitungen für unseren Animations-Workshop am Sonntag machten (dazu später mehr). Stifte wurden gezückt, Pinterest-Boards erstellt und Scheren herausgekramt – voller kreativer Energie ging es ans Werk.

Danach stand ein Empfang im Rathaus an, wo uns der Bürgermeister von Ettlingen, Herr Arnold, willkommen hieß. Also saßen wir da, in einem riesigen Saal mit Getränken vor uns, und lauschten gespannt, wie Ettlingen überhaupt funktioniert und wer hier die Entscheidungen trifft. Ehrlich gesagt war das vermutlich für viele von uns Deutschen genauso neu wie für unsere englischen Austauschpartner.

Im Anschluss präsentierten wir Herrn Arnold unser Logo und natürlich gab es auch Fotos zur Erinnerung. Am Ende bekam jeder von uns einen Turnbeutel mit der Aufschrift „Stadtkind“, der unter anderem Flyer, einen Flaschenverschluss und eine Fahrradklingel enthielt. Der Empfang war auf jeden Fall herzlich, und es war schön, dem Bürgermeister persönlich für diese Austauschmöglichkeit danken zu können.

Anschließend ging es weiter zum Tourismusbüro in Ettlingen. Wieso genau, bleibt mir bis heute ein Rätsel. Ich glaube, die Idee war, das Projekt den Leuten in Ettlingen näherzubringen. Die Umsetzung? Schüler wurden in Schichten eingeteilt und saßen vor dem Büro an einem Tisch mit englischen Süßigkeiten, umgeben von Flyern – wartend, dass jemand auf sie zukommt.

Das Lustige: Wir wurden mehrmals gefragt, ob wir Spenden sammeln oder warum wir überhaupt hier stehen. Da das Projekt nicht von den Bürgern finanziert wird und wir selbst keine Ahnung hatten, konnten wir Ihnen nur schulterzuckend einen Biscuit anbieten.

Natürlich hatte ich mal wieder das Glück, von Fremden verstört zu werden. Ein älterer Herr – 84 Jahre alt, wie er uns stolz erzählte – kam auf unseren Stand zu und erkundigte sich nach dem Projekt. Also erklärten wir ihm, dass es sich um einen Austausch handelt. Daraufhin begann er ein überraschend gutes Gespräch mit Mia – überraschend deshalb, weil er laut eigener Aussage nur zwei Jahre Englisch in der Schule hatte, was nach meinen Berechnungen mindestens 70 Jahre her sein muss.

Als das Gespräch für uns eigentlich beendet war, verspürte er jedoch den unbändigen Drang, uns jedes (ja, JEDES) Foto aus seiner Galerie zu zeigen – die zu 90 % aus demselben Golfplatz bestanden. Als wäre das nicht schon genug, demonstrierte er uns seine Fitness, indem er plötzlich anfing, herumzuhopsen. Und dann kam der Höhepunkt: Er präsentierte mir stolz seine „Muckies“ und bestand darauf, dass ich sie anfasse. Als ich höflich ablehnte, rückte er bedrohlich näher, bis ich mich quasi gezwungen fühlte, sie doch anzufassen. Ich bin jetzt offiziell traumatisiert.

Aber hey – wenigstens war er sehr freundlich und ist jetzt vermutlich ein großer Unterstützer unseres Projekts. Und immerhin hatten alle am Stand danach etwas zu lachen.

Das Trolley-Problem mal anders

Da wir am Samstag erst um 10:45 in Karlsruhe am ZKM erscheinen mussten, nutzten wir den Morgen, um unseren Schlafmangel auszugleichen – oder in meinem Fall: für eine Chemie-LK-Klausur zu lernen.

Am ZKM angekommen, stand ein Stop-Motion Animation Workshop auf dem Programm (bei dem Namen könnte man fast denken, wir seien schon wieder in England). Doch bevor es losging, gab es eine Tour durch die Ausstellung. Ich könnte jetzt ausführlich erklären, was diese Ausstellung bedeutet oder welche Botschaft sie vermitteln wollte – aber ehrlich gesagt habe ich es nicht wirklich geblickt. Erst als meine sehr kunstinteressierte Austauschschülerin Mia mir ein paar Dinge erklärte, ergab manches für mich Sinn. Ich bin da wohl eher pragmatisch unterwegs.

Jedenfalls wurden wir dann mit Pappe und einem iPad ausgestattet – und los ging’s. Über die Endergebnisse lässt sich nur sagen, dass das Thema „Twinning Association and Exchange“ von Gruppe zu Gruppe sehr unterschiedlich interpretiert wurde. Von selbstbauenden Brücken über neue Freundschaften und Hunde bis hin zu einer verstörend detaillierten Animation des Trolley-Problems, in der die Twinning Association am Ende wichtiger war als die eigene Mutter.

Den Rest des Tages hatten wir zur freien Verfügung. Ich ging mit Mia shoppen und zeigte ihr so viel wie möglich von der Karlsruher Innenstadt.

Auf dem oberen Schild steht "mother" auf dem unteren "Exchange partner"

„No way this is legal! In England we call that kidnapping.“

Ein entsetzter Engländer auf dem Faschingsumzug

Natürlich wollten wir unseren englischen Besuchern die deutsche Kultur so authentisch wie möglich näherbringen. Und was wäre da besser geeignet, als sie auf einen Faschingsumzug in Ötigheim zu schleppen?

Zwar gibt es in England auch Karneval, aber definitiv nicht annähernd so „interaktiv“ wie hierzulande. Die absolut geschockten Gesichtsausdrücke unserer Austauschpartner, als Hexen mit Farbe auf uns zustürmten, waren einfach göttlich. Einer der englischen Jungs fragte mich nach jedem einzelnen dieser Angriffe aufs Neue:
„That can’t be legal! You can go to prison for that in England! Is that really legal here?“

Das Gleiche galt übrigens für Menschen, die sich als Polizisten verkleidet hatten, ihre Gesichter schwarz anmalten oder wahllos Leute entführten und ihnen die Schnürsenkel klauten. Irgendwann zuckte ich nur noch mit den Schultern und meinte:
„It’s carnival.“

Viel Zeit zum Erklären hatte ich ohnehin nicht – ich war zu sehr damit beschäftigt, selbst entführt zu werden.

Übersetzungen von Songtexten habe ich übrigens bewusst vermieden. Spätestens nach „Theo, mach mir ein Bananenbrot“ bin ich innerlich vor Fremdscham gestorben.

Alles in allem war dieser Tag mein persönliches Highlight, weil es für unsere Austauschpartner wirklich etwas völlig Neues war – und in einer riesigen Gruppe macht sowas natürlich doppelt so viel Spaß!

„Ähhm, ja, das schneiden wir raus“ 

Wir nach jedem Satz im Podcast

Der Montag begann für mich mit einem fließenden Übergang – Schlaf war bei einer Chemie-LK-Klausur in der ersten Stunde eher überbewertet. Nachdem ich das überlebt hatte, arbeiteten alle weiter an dem Bastelprojekt "Twinning Houses" (kleine Miniaturhäuser mit Flyern und Bildern beschmückt), bis auf Mia und mich. Wir waren für die Produktion eines Podcast zuständig.

Also klauten wir uns einen Teil des Lehrerzimmers, schlossen ein Mikrofon an und ließen die inneren Moderatoren aus uns heraus. Jedes Team musste sich unseren Fragen zu weltbewegenden Themen stellen, wie zum Beispiel: „Wenn ihr ein anderes Team bekämpfen müsstet, bei welchem würdet ihr gewinnen?“ oder „Was war euer peinlichstes Erlebnis?“

Die fertigen Resultate schneiden wir momentan noch, aber da wir noch überlegen müssen, was davon „ausstrahlbar“ ist – sagen wir einfach mal, das könnte noch eine Weile dauern. Jedenfalls hatten wir eine Menge Spaß dabei.

Am Nachmittag gab es noch eine Tour im Ettlinger Schloss, an der Mia und ich allerdings nicht teilnahmen, weil wir mit der Bearbeitung der Podcast-Episoden beschäftigt waren.

Abends versammelten wir uns dann im Restaurant "60 Seconds to Napoli", um den letzten Abend gemeinsam ausklingen zu lassen.

Ein richtiges The Notebook-Ending, nur hoffentlich ohne Demenz

Der letzte Tag begann mit schweren Herzen und noch schwereren Taschen. Schnell wurden die letzten Änderungen an den Twinning Houses gemacht und die letzten Teams noch kurz von uns ausgequetscht – und dann hieß es auch schon „Goodbye“. Passend zur Stimmung regnete es plötzlich auf dem Weg zur Erbprinz-Haltestelle, als würde das Wetter sagen: „Ihr wart traurig? Ihr Loser, jetzt seit ihr traurig UND nass.“ Immerhin konnte man so die Tränen gut verstecken.

Spaß beiseite – der Abschied zeigte wirklich, wie nahe wir uns alle gekommen sind. Es gab kein Paar, das nicht wie Topf und Deckel zusammengepasst hat, und die meisten Paare planen schon ein Wiedersehen in den Sommerferien. Trotzdem blieb im Vordergrund, dass das Programm offiziell zu Ende war und es für uns alle der letzte Schulaustausch war. Das machte den Abschied dann doch ziemlich schwer.

Wi kann man in Worte fassen, was ein Austausch mit einem macht? Ich könnte jetzt ganz klassisch sagen: „Also, die Kultur habe ich jetzt besser kennengelernt und die Städte haben zueinander gefunden.“ Aber das wäre eine sehr hohle Art, so etwas zu beschreiben.

Für mich waren es die philosophischen Gespräche über Dawkins und Hitchens mit Mia in der Bahn, während uns ein anderes Paar anschaute, als hätten wir nicht mehr alle Tassen im Schrank. Für mich waren es die Lachanfälle abends, als wir uns die Fragen für die Podcasts ausdachten. Es waren die Erlebnisse mit den anderen, mit denen ich – obwohl wir alle in derselben Stufe sind – vielleicht nie etwas zu tun gehabt hätte. Es war das Gefühl, von Hexen entführt und von Fremden auf der Straße verstört zu werden. Und am wichtigsten: Es waren Erinnerungen und Erlebnisse, die mir hoffentlich noch lange erhalten bleiben.

An dieser Stelle möchte ich mich im Namen aller Beteiligten bei den Organisatoren in Clevedon, sowie bei Herrn Krätzschmar und Herrn Hammouda für ihr Engagement und ihren Humor während der gesamten Reise bedanken. So etwas erlebt man nur einmal im Leben, und ich kann jedem nur ans Herz legen, einen solchen Austausch mitzumachen.

Für die Schülerzeitung Furunkel